
Tuesday
— 8 November
— 20:00
Sie kennen ihn. Bryce Dessner? – Er drängt sich nicht in den Vordergrund, erscheint häufig als Teamplayer, so etwa in seiner Band The National, ja daher kennen sie ihn. Mit all ihren vier Alben des letzten Jahrzehnts erreichten sie die Top Five der US-Charts und sind längst auch in Deutschland eine Top Ten Band, ohne je auch nur eine Hitsingle veröffentlicht zu haben.
Vielleicht ist dies so, weil Dessner in größeren musikalischen Zusammenhängen denkt. Er überbrückt in seiner harmonischen Minimal Music Barock und Postmoderne, arbeitete für die Foundation Luis Vuitton und die Robert Mapplethorpe Foundation. Das London Symphony Orchestra, The Los Angeles Philharmonic und nicht zuletzt das Kronos Quartet, für welches er eigens komponierte, spielten seine Werke. Gerade in den Werken die in dieser Zusammenarbeit geschaffen wurden spürt man Dessners Gespür für Dramatik und den Willen zu Gratwanderungen, der ihn auszeichnet und sein Schaffen energisch dem Beliebigen entzieht. Spürbar ist hier ebenso, wie Stilistiken der Renaissance, als auch die Musik Osteuropas sein Schaffen prägen. Wenn er selbst nicht in die Musik involviert ist, kuratiert Bryce Dessner Festivals voll mit außergewöhnlicher Musik, so Music NOW in Cincinnati, HAVEN in Kopenhagen oder das Michelberger Musikfestival in Berlin. Für das Approximation Festival und November Music komponierter er „Sonic Wires“, das er zusammen mit dem Dream House Quartet aufführen wird, welches die Schwestern Katia und Marielle Labèque 2018 mit ihm und David Chalmin gründeten.
2018 gegründet, vereinigt das Dream House Quartet die Talente vier befreundeter Künstler:innen um für jeden der Einzelnen neue Freiheiten im Gemeinsamen zu finden. Jenseits eingeübter Pfade wagen sie ihren eigenen Weg hin zu einer neuen, komponierten, wie auch freien Musik. Dabei greifen sie zurück auf Werke von John Cage und Terry Riley, jüngere Werke von Arvo Part oder Nicola Tescari, wie auch auf Songs von Suicide, Sonic Youth oder Radiohead. Mit deren Thom Yorke arbeiteten sie intensiv zusammen und spielten die Weltpremiere seiner Komposition „Don’t fear the light“ ein. Sie ergänzen die Quartettbesetzung aus zwei Flügeln und zwei E-Gitarren bei Bedarf mit Synthesizer oder Gesang.
Wie die Dinge doch zusammenfallen. Dessner, der in seiner Musik die Heimat sucht oder nach den Sternen greift, trägt seine Komposition in der Tonhalle, einem ehemaligen Planetarium vor. Dessner spielte und komponierte 2017 auf einem kollaborativen Album namens „Planetarium“ Musik für die Himmelskörper. Im Rahmen des Approximation Festival gab bereits Steve Reich in der Tonhalle ein Konzert, 2010 spielte Dessner auf Reichs Komposition „2×5“ E-Gitarre. Zudem gaben vor 50 Jahren die Grateful Dead ein legendäres Konzert in dem damals noch „Rheinhalle“ genannten Gebäude. 2016 inszenierte und produzierte Bryce Dessner mit seinem Bruder Aaron das immense Benefiz-Projekt „Day of the Dead“ in dem sich über 60 Künstler dem Schaffen dieser für die amerikanische Musik des 20. Jahrhunderts so prägenden Formation widmeten. Das Verständnis der Dead, gewagteste Experimente mit der Anmut der Liedform zu kontrastieren und gleichzeitig zu verbinden, vermag tatsächlich auch Bryce Dessners Kunst ziemlich gut beschreiben.
Katia und Marielle Labèque
Die Schwestern begannen im Vorschulalter das Pianospiel, unterrichtet von ihrer Mutter Ana Cecchi fanden die Beiden zu einer aufsehenerregenden Kunstfertigkeit. Kurz nach ihrem Studium in Paris bat Oliver Messiaen sie, seine „Visions de l‘amen“ einzuspielen. Seit dieser ersten Plattenaufnahme sind sie bis heute unentwegt beschäftigt, sie spielten die Werke der Avantgarde, Klassik und des Barock ebenso wie Flamenco, Ragtime und Jazz. Trotz ihres mitunter enormen Erfolges, begründet von einer goldenen Schallplatte für ihre Version von Gershwins „Rhapsody in Blue“, sowie unzähligen Gastspielen und Konzerten mit den bedeutendsten Orchestern der Welt, ließen sich Katia und Marielle Labèque nie vom Klassikbetrieb vereinnahmen, sondern wahrten stets persönliche und künstlerische Unabhängigkeit. Komponisten wie Luciano Berio, Phillip Glass oder Michael Nyman schrieben Stücke für die Beiden und so auch Bryce Dessner, dessen „El Chan“ 2019 bei der Deutschen Grammophon erschien. Zu jenem Zeitpunkt hatten sie sich bereits zum Dream House Quartet zusammengetan. Eine neue Herausforderung für die Schwestern, die bereits vor 100.000 Menschen auftraten, mit KML Recordings ein eigenes Label betreiben und sich auf all dem Erreichten ausruhen könnten – würde die Liebe zur Musik sie nicht weiterhin herausfordern. Ob sie Musik leben? – Es wäre eher unerhört, dies nicht zu behaupten.
David Chalmin
Der junge Gitarrist, Komponist und Produzent bahnt sich seine Wege entlang der Begriffe Avantgarde, Underground, Electronica und Klassik. Seine Musik ist vertraut mit einer Idee des Minimalen, welche sich im Konzertsaal, wie auf der Tanzfläche verwirklicht, ohne diese Tatsache noch mit lähmenden, großen Gesten unterfüttern zu wollen. Was seine Musik will, ist die Zukunft erobern, das Inspirierende der Vergangenheit zu einer neuen Traditionslinie zu bündeln und darauf aufzubauen. Er arbeitete mit The National und Rufus Wainwright, komponierte für Madonna und Justin Taylor. „Piano Orchestra“, seine Komposition für 100 Pianos, wurde in Paris uraufgeführt, seine Ballettmusik „Star-Cross‘d Lovers“ von Katia und Marielle Labèque eingespielt. Als Produzent unterhält er zwei Aufnahmestudios, „Studio K“ in Paris und „Studio LFO“ im Baskenland. Sein Soloalbum „La terre invisible“ erschien 2019.
Photos: Jonathan McCallum
Mit freundlicher Unterstützung der MTV Music Week Düsseldorf.
Der Kompositionsauftrag zu “Sonic Wires” entstand in Kooperation mit November Music.